Auf einen Blick
- Colitis ulcerosa geht mit teils erheblichen körperlichen Beschwerden und sozialen Einschränkungen einher.
- Konventionelle Medikamente werden nicht von allen PatientInnen vertragen und akzeptiert.
- Mit dem pflanzlichen Präparat Myrrhinil-Intest® reduzierten sich in einer Studie die Entzündungen im Dickdarm genauso gut und die beschwerdefreien Phasen dauerten gleich lange wie mit dem konventionellen Medikament.
- Die Ergebnisse dieser und einer weiteren Studie haben dazu geführt, dass das Präparat in die Therapieleitlinie zur Behandlung von Colitis ulcerosa aufgenommen wurde.
Hintergrund
In der Schweiz leiden etwa 16‘000 Personen an Colitis ulcerosa, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung [1]. Typische Symptome sind häufige Durchfälle, die meist blutig oder schleimig sind. Auch haben Betroffene Bauchkrämpfe und einen so starken Stuhldrang, dass sie sofort auf die Toilette müssen. Dadurch ist die Lebensqualität enorm eingeschränkt [2]. Die Erkrankung verläuft meist in Schüben, das heisst, Krankheitsphasen wechseln sich mit beschwerdefreien Phasen ab.
Ziel der Therapie ist es, die Phasen ohne Beschwerden zu verlängern und erneute Entzündungsschübe zu verhindern. Standardmässig wird eine Colitis ulcerosa mit 5-Aminosalizylaten (meist Mesalazin) in Form von Kapseln, Zäpfchen oder Einläufen behandelt. Haben sich die Symptome gebessert, wird geraten, die Medikamente noch für mindestens zwei Jahre weiter zunehmen. Da manche PatientInnen nicht gewillt sind, die Medikamente so lange einzunehmen oder über Nebenwirkungen berichten, suchen sie nach Alternativen [3]. In Deutschland verwendet jede vierte Person mit Colitis ulcerosa auch pflanzliche Mittel [4].
Das pflanzliche Präparat Myrrhinil-Intest® wird schon seit längerer Zeit bei Durchfällen eingesetzt. Es besteht aus Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle. Das sind alles Pflanzen, die eine entzündungshemmende Wirkung haben. Aufgrund von Erfahrungsberichten könnte das Präparat, gemäss AutorInnen, bei Personen mit Colitis ulcerosa hilfreich sein.
Ziel der Studie
Die Studie prüfte, ob in der remissionserhaltenden Therapie von Colitis ulcerosa das pflanzliche Präparat Myrrhinil-Intest® gleich wirksam ist wie die medikamentöse Standardtherapie mit Mesalazin.
Ablauf der Studie
An der Studie nahmen 96 Personen mit Colitis ulcerosa ohne akute Beschwerden teil. Sie waren im Schnitt 48 Jahre alt und die Hälfte waren Frauen. Die Teilnehmenden bekamen zufällig entweder den Standard Mesalazin oder das pflanzliche Präparat Myrrhinil-Intest®, bestehend aus 100 mg Myrrhe, 70 mg Kamillenextrakt und 50 mg Kaffeekohle. Alle PatientInnen wurden ein Jahr behandelt.
Um die Wirksamkeit der Behandlungen zu beurteilen, gaben die Teilnehmenden sechsmal während eines Jahres an, wie stark ihre Beschwerden sind. Damit erfassten die Forschenden die Aktivität der Erkrankung. Um die Entzündung im Dickdarm zu beurteilen, wurden zu Beginn und zum Ende der Studie Gewebsproben entnommen und sechsmal Stuhlproben untersucht. Zusätzlich wurden Personen mit Myrrhinil-Intest® zu Nebenwirkungen befragt.
Ergebnisse
- PatientInnen mit dem pflanzlichen Präparat Myrrhinil-Intest® waren im Schnitt genauso lange beschwerdefrei wie diejenigen mit dem Standard Mesalazin.
- Das Ausmass der Entzündung im Dickdarm und die Entzündungswerte im Stuhl waren im Durchschnitt in beiden Gruppen zu allen Messzeitpunkten gleich. Das weist auch objektiv darauf hin, dass beide Therapien vergleichbar gut wirkten.
- PatientInnen mit Myrrhinil-Intest® berichteten gleich häufig über Nebenwirkungen wie PatientInnen mit Mesalazin. Etwa ein Drittel in beiden Gruppen berichtete über Kopfschmerzen und die Hälfte hatten innerhalb eines Jahres eine Erkältung.
Kommentar zur Studie
Die gefundenen Effekte des pflanzlichen Präparats können mit den verschiedenen Eigenschaften von Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle erklärt werden. Die AutorInnen zitieren hierfür mehrere, meist ältere, Labor- und Tierstudien [5, 6]. Diese zeigen, dass alle drei Pflanzen antibakteriell und teilweise entzündungshemmend wirken. Kamille soll ausserdem eine entkrampfende Wirkung aufweisen. Zusätzlich soll Kaffeekohle Durchfälle lindern können, da sie aufsaugende Eigenschaften besitzt. Letztere Annahmen stützen sich jedoch hauptsächlich auf klinische Erfahrungsberichte [7].
Im Anschluss an die Studie konnten die Teilnehmenden beider Gruppen das pflanzliche Präparat weiter einnehmen oder erstmals testen. Fünf Jahre später haben die AutorInnen die Teilnehmenden nochmals befragt [8]. Von den 53 Teilnehmenden der zweiten Studie hatte etwa die Hälfte das Präparat eingenommen. Dabei berichteten 80% der Personen, die das Präparat angewendet haben, dass sie mit dem Präparat zufrieden sind. Keine der PatientInnen berichtete über kausale Nebenwirkungen.
Die Erkenntnisse dieser und der darauffolgenden Studie haben dazu beigetragen, dass die Kombination aus Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle in die S3-Leitlinien aufgenommen wurde [9]. Aufgrund der noch geringen Evidenz besteht jedoch aktuell keine Empfehlung für das Präparat. Es gehört also nicht zur First-line-Therapie. Dennoch ist Myrrhinil-Intest® in Deutschland zugelassen.
Für Personen mit einer inaktiven Colitis ulcerosa könnte das Präparat möglicherweise hilfreich sein. Weitere Untersuchungen mit noch mehr Teilnehmenden könnten die Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit des Präparats bestätigen. Ausserdem wäre es wertvoll zu untersuchen, ob das pflanzliche Präparat auch als ergänzende Behandlung zu Mesalazin wirkt und welche dosisabhängigen Effekte es gibt.
Stärken und Schwächen der Studie
Eine Stärke der Studie ist, dass die Teilnehmenden über eine Zeit von einem Jahr zu mehreren Messzeitpunkten untersucht wurden. Die AutorInnen verwendeten ein randomisiertes kontrolliertes Studiendesign und verdeckten die Behandlung so, dass die Teilnehmenden und das Studienteam nicht wussten, welche Behandlung die Teilnehmenden erhielten. Sie erfassten nicht nur klinische Beobachtungen, sondern auch objektive Merkmale, nämlich Gewebs- und Stuhlproben.
Eine Schwäche der Studie ist, dass die Vergleichsgruppe die gegenwärtige Standarddosis Mesalazin, das heisst 1,5 Gramm pro Tag, erhielt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine höhere Dosis Mesalazin womöglich dem pflanzlichen Präparat überlegen gewesen wäre. Offen bleibt auch, welche Nebenwirkungen mit dem Präparat bzw. dem Medikament zusammenhängen. Es wurde auch nicht getestet, ob sich die Gruppen in den Nebenwirkungen statistisch bedeutsam unterscheiden.
Fazit
Die Studie gibt Hinweise darauf, dass das pflanzliche Präparat Myrrhinil-Intest® vergleichbar gut wirkt wie eine medikamentöse Therapie und zudem gut verträglich ist. Damit stellt das Präparat eine vielversprechende Ergänzung in der Therapie von Colitis ulcerosa dar.
Link zur Studie: https://doi.org/10.1111/apt.12397
Erstautor & Veröffentlichung: J. Langhorst, 2013
Referenzen
- Schoepfer A, Safroneeva E. Epidemiologie und sozio-ökonomische Aspekte der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der Schweiz. Therapeutische Umschau 2018;75(5):255-59.
- Armuzzi A, Liguori G. Quality of life in patients with moderate to severe ulcerative colitis and the impact of treatment: a narrative review. Digestive and Liver Disease 2021;53(7):803-8.
- Weizman AV, Ahn E, Thanabalan R, et al. Characterisation of complementary and alternative medicine use and its impact on medication adherence in inflammatory bowel disease. Alimentary Pharmacology & Therapeutics 2012;35:342–9.
- Langhorst J, Anthonisen IB, Steder-Neukamm U, et al. Amount of systemic steroid medication is a strong predictor for the use of complementary and alternative medicine in patients with inflammatory bowel disease. Results from a German national survey. Inflammatory bowel diseases 2005;11(3):287-95.
- Dolara P, Corte B, Ghelardini C, et al. Local anaesthetic, antibacterial and antifungal properties of sesquiterpenes from myrrh. Planta Medica 2000;66:356-8.
- Della Loggia R, Carle R, Sosa, S, et al. Evaluation of the anti-inflammatory activity of chamomile preparations. Planta medica 1990;56(06):657-8.
- Janicke C, Grüunwald J, Brendler T. Handbuch Phythotherapie. Indikationen-Anwendungen, Wirksamkeit-Präaparate. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2003.
- Langhorst J, Lauche R, Koch AK. Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle in der Therapie von Patienten mit Colitis ulcerosa. Zeitschrift für Phytotherapie 2016;37(06):249-53.
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa (Version 6.2). AWMF; 2024 (Zugriff: 25. Juli 2024). https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-009l_S3_Colitis-ulcerosa_2024-06.pdf