Online gegen Stress und für mehr Achtsamkeit

Ergebnisse einer neuen Studie zum ABSR-Programm

Auf einen Blick

  • Achtsamkeit stärkt die mentale Gesundheit und reduziert Stress.
  • Das 8-wöchige ABSR-Programm (Activity-Based Stress Release) kombiniert Achtsamkeitsübungen, Verhaltensbeobachtung und achtsame Bewegungen in einem Onlinekurs.
  • Erste Ergebnisse mit 830 Teilnehmenden zeigen: Stress sinkt deutlich und die Achtsamkeit steigt.
  • Weitere Forschung soll die Wirksamkeit mit strengeren Methoden bestätigen.

Hintergrund

Achtsamkeit ist mehr als ein Trend. Sie hilft, Stress zu bewältigen, fördert das Wohlbefinden und unterstützt die mentale Gesundheit. Ein Effekt, der in zahlreichen Studien gezeigt werden konnte [1, 2] und in verschiedenen Bereichen wie Yoga, Meditation, Bildung, Arbeitswelt und Therapie genutzt wird. Doch was ist Achtsamkeit genau? Es bedeutet, den Moment bewusst und ohne Bewertung wahrzunehmen. Statt über die Vergangenheit oder Zukunft nachzudenken, konzentriert man sich auf das Hier und Jetzt – beim Atmen, Gehen oder Essen [3, 4].

Das ABSR-Programm (Activity-Based Stress Release) kombiniert klassische Achtsamkeitsmethoden mit Elementen der anthroposophischen Medizin. Es integriert Achtsamkeitsübungen, achtsame Bewegungspraktiken und Verhaltensbeobachtung. Ziel ist es, Stress abzubauen und Achtsamkeit zu fördern. Das ABSR-Programm wurde vor wenigen Jahren als achtwöchiges Online-Format entwickelt. Ziel ist es, Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen eine flexible Methode anzubieten, um Stress abzubauen und Achtsamkeit zu fördern. Während die Durchführungen des Programms bisher nur in kleinen Gruppen vor Ort stattfanden [5], wollten die AutorInnen der Studie nun untersuchen, ob es sich auch für eine grössere Online-Anwendung eignet. Eine aktuelle Studie prüfte deshalb, ob das Programm machbar und wirksam ist – mit besonderem Fokus auf die Stressreduktion und die Förderung der Achtsamkeit.

Ziel der Studie

Die Studie untersuchte, ob das ABSR-Programm online umsetzbar ist und wie es Stress und Achtsamkeit beeinflusst.

Ablauf der Studie

An der Studie nahmen 830 Personen über 18 Jahre teil. Die Mehrheit war zwischen 41 und 60 Jahre alt und rund 90% waren weiblich. Das ABSR-Programm wurde zwischen September 2023 und März 2024 insgesamt 37 Mal durchgeführt. Die Teilnehmenden nahmen wöchentlich an 90-minütigen Live-Sitzungen teil, die Achtsamkeitsübungen und Selbstreflexion beinhalteten und wurden gebeten zwischen den Live-Sitzungen selbständig zu üben.

Die Teilnehmenden füllten zu vier Zeitpunkten einen Online-Fragebogen aus: zu Beginn, nach vier Wochen, am Ende (acht Wochen) und acht Wochen nach Abschluss des Programms. Der Fragebogen enthielt Fragen zu den Themen Stress und Achtsamkeit und war in sechs Sprachen (Englisch, Deutsch, Chinesisch, Spanisch, Russisch und Ukrainisch) verfügbar. Das Geschlecht, das Alter und der kulturelle Hintergrund (Sprache) wurden in die statistischen Analysen miteinbezogen.

Ergebnisse

  • Das Stresslevel sank währende der Zeit eines Kurses statistisch signifikant – besonders deutlich in den ersten vier Wochen. Auf einer Skala von null bis 40 sank der Stresswert von 20 (+-6) auf 16 (+-6) Punkte. Das niedrigere Stresslevel hielt bis acht Wochen nach Abschluss des Programms an.
  • Die Achtsamkeit stieg über den gesamten Kurs hinweg signifikant an und auch nach acht Wochen blieb der positive Effekt bestehen. Die Achtsamkeit stieg auf einer Skala von eins bis sechs von 3,8 (+- 0,8) auf 4,2 (+-0,8) nach dem Kurs.
  • Die Häufigkeit und Dauer des selbständigen Übens beeinflussten die Wirkung deutlich. Teilnehmende, die vier bis fünf Tage pro Woche und mindestens 20-30 Minuten täglich übten, erzielten grössere Verbesserungen als solche, die weniger oft übten. Im Durchschnitt übten die Teilnehmer 2-3 Tage pro Woche für 11-20 Minuten.
  • Die Teilnehmenden berichteten auch acht Wochen nach Ende des Programms noch über weniger Stress und mehr Achtsamkeit als vor Beginn des Programms. Die positiven Effekte hielten also an.

Kommentar

Das ABSR-Programm zeigt vielversprechende Ergebnisse. Es erweitert bestehende achtsamkeitsbasierte Interventionen durch aktivitätsbasierte Übungen und Elemente der anthroposophischen Medizin. Besonders die Integration der anthroposophischen Medizin eröffnet neue Perspektiven und erweitert das Spektrum der Methoden zur Stressbewältigung. Dies ist insbesondere für Personen interessant, die sich von einem aktiveren, körperorientierten Ansatz angesprochen fühlen. Das Online-Format des Programms bietet zudem einen niederschwelligen Zugang für Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, einschliesslich mobil eingeschränkten Menschen.

Die Studie hebt das Potenzial solcher Interventionen für verschiedene Zielgruppen hervor, von onkologischen PatientInnen bis hin zu Personen mit chronischem Stress oder anderen Belastungen. Besonders interessant ist die Frage, ob Programme wie das ABSR auch in anderen Kontexten, etwa bei Depressionen oder Angststörungen, erfolgreich eingesetzt werden könnten. Zukünftige Forschung könnte sich darauf konzentrieren, solche Ansätze mit kontrollierten Studiendesign genauer zu untersuchen, um die langfristige Wirksamkeit und die Anwendbarkeit besser zu verstehen.

Stärken und Schwächen der Studie

Eine Stärke der Studie ist die grosse Teilnehmerzahl von 830 Personen, die robuste und verlässliche Ergebnisse ermöglicht. Durch die breite Stichprobe können die Ergebnisse besser auf unterschiedliche Zielgruppen übertragen werden. Ein weiterer Pluspunkt der Studie ist die Untersuchung eines standardisierten Programms, das von zertifizierten TherapeutInnen durchgeführt wurde. Die Veränderungen im Stress und in der Achtsamkeit wurden mehrfach mit geprüften Fragebögen erfasst, und die statistischen Analysen erfolgten nach aktuellen wissenschaftlichen Standards.

Ein Nachteil an der Studie ist, dass es keine Kontrollgruppe gab. Ohne diesen Vergleich bleibt unklar, in welchem Ausmass die beobachteten Effekte auf das Programm zurückzuführen sind. Ausserdem basieren die Ergebnisse auf Selbstauskünften der Teilnehmenden, was sie anfälliger macht für Verzerrungen durch die subjektive Wahrnehmung. Offen ist, welche spezifischen Gruppen besonders von dem Programm profitieren könnten. Eine randomisierte kontrollierte Studie wäre der nächste Schritt, um diese Fragen zu klären.

Fazit

Das ABSR-Programm ergänzt bestehende achtsamkeitsbasierte Ansätze mit aktivitätsorientierten Übungen und Inhalten der anthroposophischen Medizin – wie sich zeigt mit positiven Effekten auf den empfundenn Stress und die Achtsamkeit. Weitere Forschung, idealerweise mit einer Kontrollgruppe, sollte durchgeführt werden, um die Ergebnisse zu bestätigen sowie die Langzeitwirkung und die Eignung für spezifische Zielgruppen zu untersuchen.

Link zur Studie: https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1469316     
Erstautor & Veröffentlichung: E. Timm, 2024

Referenzen

  1. Khoury B, Sharma M, Rush SE, Fournier C. Mindfulness-based stress reduction for healthy individuals: A meta-analysis. J Psychosom Res. 2015;78(6):519-28.
  2. Lomas T, et al. A systematic review and meta-analysis of the impact of mindfulness-based interventions on the well-being of healthcare professionals. Mindfulness. 2019;10:1193-216.
  3. Kabat-Zinn J. Full catastrophe living: Using the wisdom of your body and mind to face stress, pain, and illness. Delta, 1990.
  4. Kabat-Zinn J. Mindfulness-based interventions in context: past, present, and future. Clin. Psychol Sci Pract and Practice. 2003;10(2):144–56.
  5. Kloter E, Walder-Rohner L, Haas H, Hundhammer T, Wolf U. A prospective observational pilot study on the effects of the activity-based stress release program on the mental state and autonomic nervous system in psychiatric patients. In: International Society on Oxygen Transport to Tissue. Cham: Springer International Publishing, 2022. S. 231-237. 2023; 231-37.