Mit Homöopathie schneller weg von Beatmung

PatientInnen mit COPD könnten von Kalium-Dichromat profitieren

Auf einen Blick

  • Die chronische Atemwegserkrankung COPD ist sehr häufig.
  • Bei Verschlechterung der Krankheit müssen PatientInnen wegen Atemnot auf der Intensivstation beatmet werden.
  • Weil die PatientInnen viel Schleim in den Atemwegen bilden, ist es nicht einfach, sie vom Beatmungsgerät zu entwöhnen.
  • Mit dem homöopathischen Mittel Kaliumdichromat bildeten beatmete COPD-PatientInnen in einer Studie weniger Schleim, sie konnten rascher wieder eigenständig atmen und früher auf die Normalstation verlegt werden.

Hintergrund

In der Schweiz leiden etwa 400‘000 Menschen an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit, abgekürzt COPD [1]. In den Industriestaaten ist COPD die vierthäufigste Todesursache [1]. COPD wird meistens durch Rauchen verursacht, und Husten ist eines der vorherrschenden Symptome. Verschlechtert sich die COPD akut, husten die PatientInnen mehr zähen Schleim aus, leiden vermehrt unter Atemnot und müssen möglicherweise beatmet werden. In den Vereinigten Staaten werden pro Jahr rund 500‘000 PatientInnen mit COPD wegen einer akuten Verschlechterung ihrer Erkrankung ins Spital aufgenommen [2].

Müssen die PatientInnen wegen ihrer Luftnot beatmet werden, ist es nicht einfach, sie später wieder vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Bei anderen Krankheiten gelingt das rascher. Das liegt unter anderem daran, dass PatientInnen mit COPD viel zähen Schleim in der Luftröhre bilden.

Kaliumdichromat wird in der Homöopathie angewendet, um starke Verschleimungen in den Atemwegen zu reduzieren, etwa im Falle einer akuten Nasennebenhöhlenentzündung oder Bronchitis (Entzündung der Luftröhre). Es wird in Form von Globuli genommen. Das Mittel könnte gemäss den AutorenInnen der Studie helfen, PatientInnen mit COPD besser vom Beatmungsgerät abzulösen.

Ziel der Studie

Ziel der Studie war es zu untersuchen, ob Kaliumdichromat den Schleim in der Luftröhre bei COPD-PatientInnen reduziert, die PatientInnen damit schneller vom Beatmungsgerät entwöhnt werden können und rascher von der Intensivstation entlassen werden können.

Ablauf der Studie

An der Studie nahmen 55 Personen mit COPD teil, bei denen das Beatmungsgerät aufgrund von zu viel Schleim in der Luftröhre nicht entfernt werden konnte. Sie waren im Schnitt 69 Jahre alt, und drei Viertel von ihnen waren Männer. Die Teilnehmenden wurden nach einem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die Behandlungsgruppe erhielt zweimal täglich fünf Globuli Kaliumdichromat, die Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo.

Um die Wirksamkeit der Behandlung zu beurteilen, wurden folgende Kriterien gemessen: (1) die Menge an Schleim in der Luftröhre, (2) die Zeit, bis das Beatmungsgerät entfernt werden konnte, und (3) die Zeit auf der Intensivstation. Die Menge an Schleim teilten die Forscher in drei Grade ein (0-5 Milliliter (ml) = Grad 1, 5-10 ml = Grad 2, 10-15 ml = Grad 3).

Ergebnisse

  • PatientInnen mit Kaliumdichromat hatten im Schnitt eine geringere Schleimmenge, also Grad 1 bis 2, als PatientInnen mit dem Placebo, welche häufiger Grad 2 bis 3 Mengen bildeten.
  • PatientInnen mit Kaliumdichromat wurden im Schnitt nach 2,9 Tagen extubiert und nach 4,2 Tagen auf die Normalstation verlegt. Diejenigen mit Placebo nach 6,1 Tagen beziehungsweise nach 7,7 Tagen. Diese Unterschiede waren statistisch bedeutsam.
  • Die Variabilität innerhalb der Gruppen war gross: PatientInnen mit Kaliumdichromat konnten zwischen einem und sechs Tagen wieder selbstständig atmen und wurden nach zwei bis acht Tagen auf die Normalstation verlegt. Auch bei PatientInnen mit Placebo atmeten einige nach wenigen Tagen wieder alleine, während andere bis zu 14 Tagen brauchten. PatientInnen mit Placebo waren zwischen vier und 17 Tagen auf der Intensivstation.

Kommentar

Warum das homöopathische Arzneimittel diese Effekte zeigte, ist unklar. Die AutorInnen erklären es damit, dass der Körper mithilfe des homöopathischen Mittels seine eigenen physiologischen Vorgänge wieder regulieren kann.

Es wäre auch interessant zu wissen, ob Kaliumdichromat besser wirkt als andere Strategien, beispielsweise andere Beatmungstechniken oder Medikamente, und ob es bestimmte PatientInnen gibt, die eher von dem Mittel profitieren als andere. Darauf hin weist möglicherweise, dass manche PatientInnen auch mit Kaliumdichromat länger brauchten, bis sie wieder selbstständig atmen konnten.

Bewährt sich Kaliumdichromat in grösseren Studien und sind die Nebenwirkungen vertretbar, könnte das homöopathische Mittel helfen, dass PatientInnen mit COPD nach einem akuten Erkrankungsschub rascher gesund werden. Eine kurze künstliche Beatmungsdauer hat den Vorteil, dass sich die Lunge weniger an die Unterstützung gewöhnt, weniger Lungenentzündungen auftreten und sich die PatientInnen anschliessend schneller erholen. Das homöopathische Mittel ist eine kostengünstige und einfach anzuwendende Behandlung.

Stärken und Schwächen der Studie

Eine Stärke der Studie ist, dass es sich um eine randomisierte, placebokontrollierte Studie handelt. Dieses Studiendesign ist der aktuelle Goldstandard, um die Wirkung eines Medikaments zu prüfen. Weder die Teilnehmenden noch das Studienteam wussten in welcher Behandlungsgruppe die PatientInnen waren. Die AutorInnen reduzierten weitere Störfaktoren, indem sie die Untersuchung in einer kontrollierten Umgebung, nämlich im Spital, durchführten. Auch verwendeten sie objektive Kriterien, wie die Menge an Schleim, die nicht bewusst vom PatientInnen beeinflusst werden können.

Eine Schwäche der Studie ist, dass es sich um eine eher kleine Studie handelt. Die Ergebnisse lassen sich damit eingeschränkt auf alle PatientInnen mit COPD übertragen. Offen bleibt auch, welche Nebenwirkungen das Mittel Kaliumdichromat möglicherweise verursacht.

Fazit

Die vorliegende Studie zeigt, dass das homöopathische Mittel Kaliumdichromat die Zeit der künstlichen Beatmung bei PatientInnen mit COPD verkürzt. Weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit und zu den Nebenwirkungen des Mittels könnten einen Einsatz in der intensivmedizinischen Behandlung ermöglichen und damit die Versorgung von PatientInnen mit COPD verbessern.

Referenz zur Studie: Frass M., et al. Influence of potassium dichromate on tracheal secretions in critically ill patients. Chest 2005;127(3):936-941.

Link zur Studie: https://doi.org/10.1378/chest.127.3.936

Referenzen

  1. Bundesamt für Gesundheit (BAG): Chronische Atemwegserkrankungen (letzte Änderung 20.11.2020), URL: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/chronische-atemwegserkrankungen.html#:~:text=In%20der%20Schweiz%20leiden%20ca,weist%20eine%20chronische%20Bronchitis%20auf. (Stand: 10.01.2024).
  2. Patil SP, Krishnan JA, Lechtzin N, Diette GB. In-hospital mortality following acute exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. Archives of Internal Medicine 2003;163(10):1180-6.