Mehr als Placebo

Evidenzbasierte Bewertung der Homöopathie

Auf einen Blick

  • Homöopathika sind beliebt, doch dass verdünnte Mittel überhaupt wirken können, wird immer wieder infrage gestellt.
  • Eine Übersichtsarbeit beschreibt sechs Metaanalysen zur Wirksamkeit von Homöopathika im Vergleich zu Placebo.
  • Drei der sechs Metaanalysen hatten gemäss AutorInnen eine gute Qualität. Davon zeigten zwei Metaanalysen eine signifikante Wirksamkeit von individualisierten Homöopathika gegenüber Placebo. Eine Metaanalyse zur nicht-individualisierten Homöopathie ergab uneinheitliche Ergebnisse.
  • Weitere qualitativ hochwertige Studien sind notwendig, um die derzeitigen Befunde zu bestätigen bzw. zu widerlegen und ein umfassenderes Bild zu erhalten.

Hintergrund

Homöopathie ist eine weit verbreitete Therapieform, insbesondere in Europa und in Indien. In der Schweiz verwendet etwa jede zehnte Person Homöopathika [1]. In der Behandlung gibt es zwei Ansätze. Bei der individualisierten homöopathischen Behandlung wählt der/die BehandlerIn das Mittel nach den Hauptbeschwerden und den individuellen Begleitbeschwerden der Person aus. Bei der nicht-individualisierten homöopathischen Behandlung erhalten alle Personen mit denselben Hauptbeschwerden, wie beispielsweise Erkältungen oder Heuschnupfen, das gleiche Mittel.

Trotz ihrer Popularität wird die Wirksamkeit der Homöopathie häufig infrage gestellt. Inzwischen wurden dazu mehrere Metaanalysen veröffentlicht. Metaanalysen bieten den Vorteil, dass sie die Daten aus mehreren Studien zusammenfassen und statistisch auswerten. Damit können umfassendere und verlässlichere Aussagen zum Stand der Forschung getroffen werden als mit Einzelstudien. Gemäss den AutorInnen dieser Übersichtsarbeit enthalten die derzeitigen Metaanalysen zur Homöopathie unterschiedliche Methoden, Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Deshalb war es die Absicht der AutorInnen, eine Bewertung und systematische Zusammenführung dieser Metaanalysen zu erstellen.

Ziel der Studie

Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit von Homöopathika im Vergleich zu Placebo anhand von Metaanalysen zu randomisierten, placebokontrollierten Studien zu beurteilen.

Ablauf der Studie

Dies ist eine systematische Übersichtsarbeit zu Ergebnissen aus mehreren Metaanalysen. Miteinbezogen wurden Metaanalysen, die die Wirksamkeit von Homöopathika bei verschiedenen Erkrankungen untersuchten. Weitere Kriterien waren, dass die Metaanalysen zwischen 1990 und April 2023 publiziert worden sind und Studien mit einem randomisierten, placebokontrollierten Studiendesign analysiert haben. Basierend auf diesen Kriterien durchsuchten zwei AutorInnen unabhängig voneinander acht elektronische Datenbanken. Anschliessend fassten sie die Ergebnisse aus den gefundenen Metaanalysen zusammen und bewerteten deren Qualität. Mit dem ROBIS-Tool (Risk Of Bias In Systematic Reviews) beurteilten sie, ob es mögliche Fehlerquellen gegeben haben könnte, die die Ergebnisse beeinflusst haben könnten [2]. Die Qualität der in den einzelnen Metaanalysen gefundenen Evidenz wurde zusätzlich mit den GRADE-Leitlinien (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluations) als hoch, moderat, niedrig oder sehr niedrig bewertet.

Ergebnisse

  • In die Übersichtsarbeit wurden sechs Metaanalysen eingeschlossen, die zwischen 16 und 110 Studien aus dem Zeitraum von 1943 bis 2014 umfassten. Bei vier der sechs Metaanalysen wurden zusätzlich Auswertungen durchgeführt, die sich auf qualitativ hochwertige Studien beschränkten. Drei dieser Metaanalysen zeigten eine signifikant positive Wirkung von Homöopathika im Vergleich zu Placebo.
  • Die AutorInnen der Übersichtsarbeit bewerteten drei der sechs Metaanalysen als qualitativ hochwertig. Das bedeutet, dass sie laut dem ROBIS-Tool ein geringes Risiko für Fehlerquellen aufwiesen.
  • Zwei der drei qualitativ hochwertigen Metaanalysen berichteten von einem statistisch signifikanten positiven Effekt von Homöopathika im Vergleich zu Placebo. Eine dieser beiden Metaanalysen untersuchte die individualisierte Homöopathie, die andere schloss alle homöopathischen Behandlungenformen ein. Eine Metaanalyse zur nicht-individualisierten Homöopathie ergab uneinheitliche Ergebnisse bezüglich des Unterschieds zwischen Homöopathika und Placebo.
  • Die AutorInnen kommen zum Schluss, dass die individualisierte homöopathische Behandlung im Vergleich zu Placebo einen positiven Effekt zeigt, während sich für die nicht-individualisierte Homöopathie uneinheitliche Ergebnisse ergaben.

Kommentar zur Studie

Die AutorInnen der Übersichtsarbeit kommen zu dem Schluss, dass eine individualisierte homöopathische Behandlung über den Placeboeffekt hinaus Wirksamkeit zeigt. Dies deutet darauf hin, dass personalisierte Ansätze in der Homöopathie einen positiven Einfluss haben. Im Gegensatz dazu sind nicht-individualisierte Behandlungen noch nicht ausreichend untersucht.

Eine Metaanalyse zur nicht-individualisierten Homöopathie hat ergeben, dass zusätzliche Forschung notwendig ist [4]. Die AutorInnen fordern besser konzipierte und strengere randomisierte kontrollierte Studien, um verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit dieser Behandlungen treffen zu können.

Gleichzeitig untersuchte die gleiche AutorInnengruppe auch die Wirksamkeit der individualisierten Homöopathie und berichtete von einem signifikant positiven Effekt fest [5]. Sie betonen jedoch, dass die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Die begrenzte Qualität vieler der betrachteten Studien schränkt die Aussagekraft der Befunde erheblich ein.

Insgesamt müssen die Ergebnisse der Übersichtsarbeit durch weitere Studien bestätigt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse erfordern wiederholte und unabhängige Untersuchungen, um ihre Gültigkeit zu gewährleisten. Zukünftige Studien sollten auch bisher unbeachtete Aspekte wie Langzeiteffekte oder die Wirksamkeit bei unterschiedlichen Erkrankungen untersuchen.

Stärken und Schwächen der Studie

Eine Stärke der Studie ist, dass sie methodisch sorgfältig durchgeführt wurde. Durch die Anwendung etablierter Protokolle und Bewertungsinstrumente wie ROBIS und GRADE stellen die AutorInnen eine hohe Transparenz und Zuverlässigkeit sicher. Dabei bewerteten sie einerseits die Qualität der Metaanalysen und fassten andererseits die von den Metaanalysen berichtete Qualität der einzelnen Studien zusammen. Zur Prüfung der Wirksamkeit orientierten sich die AutorInnen am Goldstandard der klinischen Forschung – dem randomisierten kontrollierten Studiendesign.

Eine Nachteil der Übersichtsarbeit ist, dass sie eine sehr allgemeine Fragestellung untersucht: Wirkt Homöopathie im Vergleich zu Placebo oder nicht? Sie gibt also keine Informaion darüber, welches Mittel bei welcher Krankheit und in welcher Dosierung wirksam ist. Ausserdem unterscheiden sich die Metaanalysen in ihrem Ansatz zur Homöopathie: Zwei Metaanalysen untersuchten die individualisierte Homöopathie, eine andere befasste sich mit der nicht-individualisierter Homöopathie und drei betrachteten beide Ansätze zusammen. Deshalb ist es schwierig, eine umfassende Schlussfolgerung zu ziehen.

Fazit

Die systematische Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit der Homöopathie bietet eine umfassende Zusammenfassung zum aktuellen Stand der Forschung. Die AutorInnen schlussfolgern, dass die individualisierte Homöopathie über den Placeboeffekt hinaus wirksam ist, während für die nicht-individualisierte Homöopathie weitere hochwertige Studien erforderlich sind.

Link zur Studie: https://doi.org/10.1186/s13643-023-02313-2 
Erstautor & Veröffentlichung: H.J. Hamre, 2023

Referenzen

  1. Meier-Girard D, Lüthi E, Rodondi PY, Wolf U. Prevalence, specific and non-specific determinants of complementary medicine use in Switzerland: Data from the 2017 Swiss Health Survey. PLoS One. 2022;17(9):e0274334.
  2. Whiting P, Savovic J, Higgins JP, et al. ROBIS: a new tool to assess risk of bias in systematic reviews was developed. Journal of Clinical Epidemiology. 2016;69:225–34.
  3. Guyatt G, Oxman AD, Akl EA, et al. GRADE guidelines: 1. Introduction- GRADE evidence profiles and summary of findings tables. Journal of Clinical Epidemiology. 2011;64(4):383–94.
  4. Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA, et al. Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Systematic Review. 2017;6(63):1-28.
  5. Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA, et al. Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Systematic Review. 2014;3(142):1-16.