Heuschnupfen pflanzlich und nebenwirkungsarm behandeln

Eine Übersicht zu pflanzlichen Präparaten

Auf einen Blick

  • Viele Menschen mit Heuschnupfen leiden nicht nur unter ihren Beschwerden, sondern oft auch unter den Nebenwirkungen der Medikamente – pflanzliche und nebenwirkungsarme Behandlungen sind deshalb gefragt.
  • Eine systematische Übersichtsarbeit des Instituts für Komplementäre und Integrative Medizin (IKIM) der Universität Bern zeigte, dass pflanzliche Extrakte Heuschnupfensymptome effektiv lindern können.
  • Extrakte aus Pestwurz und Zitronen/Quitte erwiesen sich als hilfreich bei Beschwerden wie einer verstopften Nase und trugen zur Stärkung der Immunabwehr bei. Die untersuchten pflanzlichen Mittel waren sicher und wurden gut vertragen.

Hintergrund

Heuschnupfen – fachsprachlich als allergische Rhinitis bekannt – ist die häufigste Allergie in den Industrieländern. In der Schweiz reagieren etwa 20 % der Bevölkerung allergisch auf Pollen [1]. Das sind fast zwei Millionen Menschen. Bei Heuschnupfen reagiert das Immunsystem überempfindlich auf eigentlich harmlose Substanzen wie Pollen. Die Beschwerden, darunter Niesen, verstopfte Nase, Juckreiz und tränende Augen, können den Schlaf, die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität erheblich einschränken [2]. Ausserdem erhöht Heuschnupfen das Risiko, zusätzlich Asthma bronchiale zu entwickeln [3].

Pflanzliche Mittel könnten bei der Linderung dieser Beschwerden helfen, da bestimmte pflanzliche Inhaltsstoffe entzündungshemmende und immunregulierende Eigenschaften besitzen [4]. Die Phytotherapie – also die Behandlung mit Heilpflanzen – und die anthroposophische Medizin werden im deutschsprachigen Raum häufig bei Heuschnupfen eingesetzt. Doch wie wirksam und sicher sind deren Arzneimittel wirklich? Um diese Frage zu klären, haben die AutorInnen der hier vorgestellten Übersichtsarbeit alle verfügbaren Studien und deren Ergebnisse zusammengetragen.

Ziel der Studie

Das Ziel der Studie war es, alle Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von pflanzlichen Arzneimitteln der Europäischen Phytotherapie und der anthroposophischen Medizin bei Heuschnupfen zusammenzufassen.

Ablauf der Studie

Um alle relevanten Studien zu finden, arbeiteten die AutorInnen mit einer systematischen Suchstrategie und klar definierten Auswahlkriterien. Sie berücksichtigten klinische Studien, die zwischen 1990 und März 2023 in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert worden sind. Zwei AutorInnen durchsuchten unabhängig voneinander vier wissenschaftliche Datenbanken und verglichen anschliessend ihre Ergebnisse.

Die AutorInnen sammelten Informationen zu den Teilnehmenden, Behandlungsmethoden, Ergebnissen und Nebenwirkungen der einzelnen Studien. Zur Bewertung der Studienqualität nutzten sie das ICROMS-Tool [4]. Damit stuften sie die Qualität der einzelnen Studien anhand verschiedener Kriterien als „gut“ oder „ungenügend“ ein. Nur die Studien mit guter Qualität wurden für die abschliessende Auswertung der Studien berücksichtigt.

Ergebnisse

  • Insgesamt fanden die AutorInnen 14 Studien zu pflanzlichen Mitteln der Phytotherapie und der anthroposophischen Medizin. Sieben Studien hatten eine gute Qualität.
  • Zwei Pflanzenextrakte zeigten positive Effekte bei der Behandlung von Heuschnupfen.
  • Ein Extrakt aus Pestwurz (lat. Petasites hybridus) half in mehreren Studien besonders gut gegen eine verstopfte Nase und erleichterte die Atmung. Die Ergebnisse waren in den meisten Studien dem Placebo überlegen und vergleichbar mit herkömmlichen Medikamenten. Eine Studie zeigte, dass der Pestwurzextrakt die entzündungsfördernden Stoffe Interleukin-8 und Leukotrien B4 nach einer allergischen Reaktion reduzieren konnte.
  • Ein Zitronen-Quittenextrakt wurde in zwei Studien als Nasenspray und als Injektion unter die Haut, die die AnwenderInnen selbst durchführen konnten, getestet. Eine Studie zeigte, dass der Nasenspray die Atmung direkt nach dem Provokationstest verbesserte. Dieser Effekt war stärker als bei dem Placebo. In einer anderen Studie, die die Injektionen mit dem Nasenspray verglich, zeigten sich langfristige Verbesserungen. Besonders die morgendlichen Beschwerden wurden mit den Injektionen besser, und die allergische Reaktion nahm ab, weil sich bestimmte Immunwerte verbesserten.
  • In allen Studien berichteten die Teilnehmenden von keinen ernsthaften Nebenwirkungen. Nur selten wurden leichte Kopfschmerzen und Magenbeschwerden berichtet.

Kommentar

Die systematische Übersichtsarbeit unterstreicht die vielversprechenden Möglichkeiten der Phytotherapie und der anthroposophischen Medizin bei Heuschnupfen. Bestimmte Pflanzenstoffe, wie der Inhaltsstoff Petasin in der Pestwurz, wirken gezielt auf entzündliche Prozesse und können Beschwerden wie eine verstopfte Nase und Atemprobleme lindern [5]. Laborstudien zeigen zudem, dass der Zitronen-Quittenextrakt die Ausschüttung von Histamin und die Produktion weiterer spezifischer Botenstoffe hemmen kann [6]. Zusätzlich bindet Pektin, ein Inhaltsstoff der Zitrone, Wasser und soll so bei einer laufenden Nase helfen [7].

Ein wichtiger Punkt ist die Sicherheit der verwendeten Präparate. Die AutorInnen der Übersichtsarbeit betonen, dass die Qualität der Extrakte entscheidend für deren Wirksamkeit und Sicherheit ist. Bei Pestwurzextrakten ist es unerlässlich, standardisierte Verfahren anzuwenden, um potenziell schädliche Inhaltsstoffe (Pyrrolizinalkaloide) zu entfernen. Solche Verfahren sorgen ausserdem dafür, dass die Petasinmenge konstant bleibt, wodurch eine genauere Dosierung möglich wird. Allerdings sind die in den Studien berichteten positiven Effekte eines bestimmten Präparats nicht ohne Weiteres auf andere Pestwurzprodukte übertragbar, da sich die Inhaltsstoffe je nach verwendetem Pflanzenteil (Blätter vs. Wurzel) unterscheiden können.

Die AutorInnen weisen abschliessend darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sind, um die tatsächliche Wirksamkeit pflanzlicher Mittel wie des Zitronen-Quittenextrakts oder von Pestwurzprodukten noch besser zu bestätigen. Insbesondere muss geprüft werden, ob typische Beschwerden wie eine verstopfte Nase durch die Verwendung spezifischer Präparate, etwa des Nasensprays, effektiv gelindert werden können.

Stärken und Schwächen der Studie

Eine Stärke der Übersichtsarbeit ist, dass sie alle zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Studien berücksichtigt. Die AutorInnen wählten nur die Studien mit hoher Qualität aus, die sie zuvor mit einem anerkannten Tool bewertet hatten. Sie folgten etablierten Guidelines für die Studiensuche und -bewertung, was die Transparenz der Arbeit erhöht. Jeweils zwei AutorInnen arbeiteten unabhängig voneinander, um mögliche Fehler zu minimieren. Diese systematische Vorgehensweise stärkt die Verlässlichkeit der Schlussfolgerungen.

Eine einheitliche Beurteilung der Wirksamkeit der pflanzlichen Arzneimittel ist durch die Unterschiede zwischen den Studien eingeschränkt. So wurden unterschiedliche Messmethoden, Dosierungen und Anwendungsdauer angewendet. Die Ergebnisse zwischen den Studien lassen sich also nicht direkt vergleichen und auf andere pflanzliche Mittel oder PatientInnengruppen übertragen. Ein weiterer kritischer Punkt ist die teilweise geringe Anzahl der in die Studien aufgenommenen Patient:innen, was darauf hinweist, dass weitere Forschung zu diesem wichtigen Thema sinnvoll ist.

Fazit

Die Übersichtsarbeit zeigt, dass pflanzliche Mittel wie Pestwurz- und Zitronen-Quittenextrakte bei Heuschnupfen wirksam sein können. Die untersuchten Präparate waren sicher und gut verträglich. Weitere Studien mit denselben Methoden und Dosierungen könnten die Ergebnisse bestätigen.

Referenz zur Studie: Braunwalder C et al. Efficacy and Safety of Phytotherapy and Anthroposophic Medicine in Seasonal Allergic Rhinitis: A Systematic Review. International archives of allergy and immunology 2025;186(1):75-86.

Link zur Studie: https://doi.org/10.1159/000539645

Referenzen

  1. Aha! Allergiezentrum Schweiz. Allergie, Asthma und Hauterkrankungen – Prävalenzzahlen. Bern: aha! Allergiezentrum Schweiz; 2023 (Zugriff 16. November 2024). https://www.aha.ch/userfiles/files/praevalenz/aha-praevalenzzahlen.pdf
  2. Meltzer EO, Bukstein DA. The economic impact of allergic rhinitis and current guidelines for treatment. Ann Allergy Asthma Immunol. 2011;106(2 Suppl):12–6.
  3. Bousquet J, et al. Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma (ARIA) Phase 4 (2018): change management in allergic rhinitis and asthma multimorbidity using mobile technology. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(3):864–79
  4. Thomet OA, et al. Role of petasin in the potential anti-inflammatory activity of a plant extract of Petasites hybridus. Biochem Pharmacol. 2001;61(8):1041–7.
  5. Gründemann C, et al. Immunomodulatory properties of a lemonquince preparation (Gencydo®) as an indicator of anti-allergic potency. Phytomedicine. 2011;18(8–9):760–8.
  6. Baars E, Savelkoul H. Citrus/Cydonia comp. can restore the immunological balance in seasonal allergic rhinitis-related immunological parameters in vitro. Mediators Inflamm. 2008;1:496467.